Wurm im Nationalpark

02.01.2013

Borkenkäfer am WintersteinDen Borkenkäfer kennen wir schon länger. Aber der macht nicht so einen Stress. Der frisst sich nur an wenigen Stellen in die Fichtenmonokultur hinein, die im Nationalpark ohnehin nicht gern gesehen ist. Das ist natürlicher Waldumbau, den die Nationalparkverwaltung sowieso schon im Plan hat. Es soll ja mal wieder ‚Urwald’ werden. Außerhalb der Kernzone herrscht mehr Nervosität. Da bleibt es nicht nur bei der Wegsicherung, sondern wird auch mal ein Waldstück kahlgeschlagen, wie z. B. am Winterstein. Der Borkenkäfer darf den Nationalpark ja nicht verlassen.

Harvester im Nationalpark Sächsische SchweizJetzt ist aber auch noch der ‚Wurm’ im Nationalpark Sächsische Schweiz – im übertragenen Sinne gemeint … Zum Beispiel in Form eines Harvesters. Der soll im Auftrag der Nationalparkverwaltung den Waldumbau beschleunigen. Allerdings kam es dabei zu einer Anhäufung von ‚Missgeschicken’. So wurde ein Teil des idyllischen Lindengründels ruiniert, ein Sandsteinblock zermalmt und auch ein paar Fichten aus der Kernzone soll es ‚erwischt’ haben. Einen ausführlichen Bericht gab es von Christian Helfricht von der IG Stiegen- und Wanderfreunde.

Zermalmt …Wie soll ich denn meinen Kindern vermitteln, in der Kernzone (und möglich auch sonst) nicht zu weit vom Weg abzukommen, wenn hier ‚Waldpflegemaßnahmen’ zu Jahrzehnte langen irreparablen Schäden an der Natur führen? Die maulen sowieso immer schon, wenn ich von der Kernzone und dem Weggebot rede. Wie wäre es mit einem praktischen Test: Wir schicken ein paar Schulklassen auf einem unmarkierten Weg durch die Kernzone und einen Harvester (Letzteres ist schon erfolgt!) und schauen uns gemeinsam mit der Nationalparkverwaltung die Schäden an?

Gehört hier nicht hin!Wieso können die gebietsfremden, also die ‚störenden’, Bäume (Roteichen, Lärchen, Weymouthskiefern) oder die Monokultur (Fichten) nicht einfach nur umgesägt werden? Da haben dann Käfer und Pilze viel zu knabbern. Nicht nur auf Nationalpark-Informationstafeln wird ja gern erklärt, warum das Totholz so ökologisch wichtig für einen gesunden Wald ist. So sind lt. Wikipedia ca. 1350 Käferarten und 600 Großpilzarten an der Zersetzung beteiligt. Und Waldvögel finden mehr Nahrung. Sollten hier doch die anhaltend hohen Holzpreise eine Rolle spielen?

Ja klar, ich hab’s nicht glauben wollen! Das kann man im 2012 veröffentlichten „Endbericht des Evaluierungskomitees zur Evaluierung des Nationalpark Sächsische Schweiz“ nachlesen: Eine Empfehlung des Komitees lautet mit hoher Priorität: „Entkoppelung der Abhängigkeit des der NLPV zur Verfügung stehenden Budgets von der aktuellen Ertragslage (z. B. Holzmarkt)“. W.z.b.w …

Auch sonst birgt der Bericht einigen Sprengstoff. Hier einige Auszüge:

„Netz außerordentlich umfangreich gekennzeichneter Wege führt zumindest außerhalb der Kernzone zu weitgehend ganzflächiger Besucherfrequentierung mit entsprechendem Beeinträchtigungspotenzial; Überwachung der vorhandenen Regelungen zur Besucherlenkung unzureichend“

„Maßnahmen zum Wegerückbau noch zu gering“

„Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts zur weiteren (räumlichen und zeitlichen) Reduktion der Inanspruchnahme des Nationalparks für Aktivitäten, die den naturschutzfachlichen Anforderungen widersprechen …“

„Reduzierung der Wegedichte“

„Zügige Erhöhung des Flächenanteils Prozessschutz entsprechend dem NLP-Programm auf über 50 % und bis 2020 entsprechend dem Standard 2.1 Raum für natürliche Abläufe auf mindestens 75%“

„Festschreibung der Zielsetzung in der NLPR-VO bis 2020 75 % der Fläche in Naturzone A zu überführen“

Anfang November haben zwar der sächsische Umweltminister Frank Kupfer und der Nationalparkleiter Dr. Dietrich Butter beteuert, dass „es auch weiterhin ein dichtes Netz von Wanderwegen und zahlreiche Möglichkeiten für das Felsklettern geben“ wird. Es war auch von ‚unverbindlichen Empfehlungen’ des Komitees die Rede. Aber was ist, wenn der politische Druck steigt und es vielleicht dem Nationalpark-Titel an den Kragen geht?

Dann könnte es zu einen schmerzlichen Spagat kommen: Reduzierung der Wegedichte bei steigenden Besucherzahlen! Nur wie soll das gehen? Wird es Kassenhäuschen geben oder muss bei allen Abweichungen von der Basteistraße bei der Nationalparkverwaltung eine Backcountry-Tour wie in amerikanischen Nationalparks beantragt werden? Wie soll es 75 % ‚Wildnis’ in einem Naherholungsgebiet geben, ohne massive Einschränkungen für Besucher eines so kleinen Wander- und Klettergebietes?

Sollte die Nationalparkidee doch ‚wurmstichig’ sein? Ist das touristisch besonders interessante Prädikat „Nationalpark“ nicht ein Widerspruch zum Naturschutz, wenn dadurch die Besucherzahlen steigen? Ist doch klar, dass sich ein Urlauber lieber einen Nationalpark anschaut, anstatt einen ‚Geschützten Landschaftsbestandteil’ (§ 29 BNatSchG).

Beunruhigend ist auch diese Feststellung des Evaluierungs-Komitees:

„Sehr geringer Prozentsatz (2 %) betreuter Besucher gemessen an hoher Zahl von 2,3 Mio. Besuchern (in 2010); selbst gestecktes Ziel eines Wirkungsgrades der Besucherbetreuung von 10 % wird damit weit verfehlt“ und „Noch zu geringe Ausstattung mit Rangern führt zu unzureichender Besucherinformation und Gebietskontrolle“

Jeep-Safari auf dem Elbleitenweg?Wollen Sie beim Wandern ‚betreut’ werden? Ich nicht! Ein opulentes Picknick auf dem Frühstücksplatz wäre natürlich eine gelungene Überraschung … Für einen ungetrübten Naturgenuss reicht es mir, wenn ich auf stauarmen, natürlichen und abwechslungsreichen Pfaden unterwegs bin – gern mit einer Minimalausstattung an Wegweisern und Steighilfen. In diesem Zusammenhang bitte ich darum, nicht mehr am Roßsteig/ Abzweig Heringsgrund von Rangern angesprochen zu werden, die dahin mit ihrem Jeep gefahren sind. Das passt einfach nicht! Auch eine ‚Jeep-Safari’ auf dem Elbleitenweg (27.12.2012 ca. 15 Uhr) ist einem Nationalpark nicht angemessen. Selbst eine Kettensäge sollte mit einem Fahrrad zu transportieren sein. Die wäre zurzeit auch auf vielen Wegen dringend erforderlich, um den Schneebruch zu beseitigen. Durch zwangsweise erforderliche Umgehungen wird in wenigen Wochen mehr Erosion erzeugt, als in einem ganzen Wanderjahr.

Sebnitz-Überquerung am Haltepunkt MittelndorfUnd weil gerade der Blutdruck steigt: Wer immer dafür zuständig sein mag, wie wäre es denn mal mit einer neuen Brücke über die Sebnitz nahe des Haltepunkts Mittelndorf? Die wurde bestimmt nach den starken Regelfällen im August 2010 weggespült. Aber das ist 2 ½ Jahre her! Wer aus dem schönen Sebnitztal den Tragner-Weg nach Mittelndorf nehmen will, sollte ein Handtuch einstecken oder auf starken Frost warten. Wenn schon nicht ein paar Bohlen aus dem Baumarkt aufzutreiben sind, lassen sich doch bestimmt ein, zwei Stämme aus den obengenannten Waldpflegemaßnahmen über das Flüsschen legen …

Einen ungetrübten und unbetreuten Naturgenuss im neuen Jahr 2013
wünscht
Wanderpfade.de

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